Abenteuerlich und ambitioniert

Mit Wasserflugzeugen transportiert European Coastal Airlines an der Adria Passagiere zu kroatischen Inseln

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European Coastal Airlines erschliesst mit Wasserflugzeugen im Liniendienst von Kroatien aus Mittelmeerziele. Das Projekt zu erweitern, ist freilich kein einfaches Unterfangen.


Quellenangabe: NZZ, Johanna Wedl
Bild: NZZ, Hansjörg Egger

Gemächlich tuckern wir über das Meer. Langsam gewinnen wir an Geschwindigkeit, und ehe wir’s uns versehen, sind wir in der Luft. Keine lauten Geräusche begleiten den Start, und wir spüren auch nicht die massiven Kräfte auf uns einwirken, wie wir sie von Flugzeugstarts auf der Erdoberflächekennen. Hinter uns liegen weiss getünchte Häuser mit hellroten Ziegeldächern, unter uns glitzert die tiefblaue Adria. Nie war Fliegen ursprünglicher, denken wir, und lehnen uns im Sitz zurück.

Tatsächlich sei die Wasserfliegerei eine der romantischsten Arten der Fortbewegung in der Luft, sagt Klaus Dieter Martin, Geschäftsführer und Teilhaber von European Coastal Airlines (ECA). Beinahe zwanzig Jahre lang war er Linienpilot für eine deutsche Gesellschaft, bevor er den Schritt in die Selbständigkeit wagte und beschloss, von Kroatien aus mit Wasserflugzeugen Destinationen im Mittelmeerraum zu erschliessen.


Auch Kroaten ansprechen

Bei einem private nSegeltörn mit einem Freund sei die Idee entstanden, ein Wasserflugzeug zu kaufen. Aus dem Investment entwickelte sich ein Businessplan. Dessen Umsetzung schritt allerdings bei weitem nicht so schnell und problemlos voran, wie sich Martin das gedacht hatte. Doch dazu später.

Da sUnternehmen ECA hat seinen Hauptsitz im Zentrum Dalmatiens, in Split. Das Terminal liegt nur zwei, drei Autominuten vom Flughafen. Es sei kein Zufall, dass man sich hier niedergelassen habe, erklärt der CEO. Split sei der Dreh- und Angelpunkt des Tourismus in Kroatien. Insgesamt besuchen jedes Jahr 11 Millionen Gäste das Land – ein riesiges Potenzial an Passagieren.

Man wolle aber nicht nur Ausländer, sondern auch Einheimische mit den Wasserflugzeugen transportieren, betont Martin. «Unser Ziel wäre es, die Inselbewohner am Morgen a neinen Ort hin- und am Abendnach Hause zurück zufliegen.» Bereits heute seien 60 Prozent der Passagiere Kroaten. Auch sie sollen sich die Tickets leisten können. Das ist unter anderem möglich dank einer Quersubventionierung. An einigen Terminals sind Strandbars gebaut worden, die Getränke und Snacks verkaufen und mit denen man zusätzliche Einnahmen generiert. Die Preise für die Flugbillette variieren, im Sommer zahlt man mehr als im Winter.


20 Millionen investieren

Derzeit fliegt die Airline Verbindungen zu acht Destinationen, darunter die Insel Hvar, Pula in Istrien, Rijeka und eben Split. Bis anhin setzt das Unternehmen drei Wasserflugzeuge ein, zwei davon sind Twin Otters. Besonders beliebt sind die Flüge mit der dritten Maschine, einer Grumman Goose. ECA will weitere Flugzeuge kaufen, um zu expandieren. Allein dieses Jahr sollen drei Twin Otters dazukommen, eine kostet rund 5 Millionen Euro. Insgesamt sollen gegen 20 Millionen Euro investiert werden. Die flüssigen Mittel kommen nicht nur von CEO Martin. Es gibt einen weiteren deutschen Investor sowie einen aus Malaysia. Das Trio rechnet damit, in bis zu drei Jahren schwarze Zahlen zu schreiben.

Allein, der Enthusiasmus der Gründer wird gebremst. Denn die Pläne der Fluggesellschaft sind in Kroatien nicht nur mit Begeisterung aufgenommen worden. Die Verantwortlichen im Verkehrsministerium waren der Meinung, nur das Militär dürfe auf dem Wasser landen. «Die Inseln sind für die Kroaten so etwas wie die Kronjuwelen», erklärt Martin. Sieben Jahre dauerte es, bis er die Betriebsbewilligung erhielt. Ohne Hilfe aus dem deutschen Wirtschaftsministerium wäre das Projekt kaum von Erfolg gekrönt gewesen. Die Administration sei eine grosse Herausforderung, bis zu drei Jahre arbeite man an einer Konzession für eine neue Destination. «Wir machen drei Schritte vorwärts und fünf zurück», schildert der 51-Jährige die Situation. Dabei habe die Wasserfliegerei kaum Gegner. Nur die Schnellboot-Betreiber sehen ihre Felle davonschwimmen, denn sie bieten die Strecke Split–Hvar in 1,5 Stunden für 600 bis 700 Euro an. Mit der Twin Otter dauert es 14 Minuten und kostet 50 Euro.

Je schwieriger etwas sei, desto grösser sei sein Ansporn, antwortet Martin auf die Frage, weshalb er allen Widerständen zum Trotz weitermache. Der grosse Mann mit den graue nHaaren hat immer ein Lächeln auf den Lippen und kaum Falten im Gesicht. Sorgen bereitet dem Abenteurer höchstens das Wetter, zum Beispiel die starken Bora-Winde. Diese lösten starke Wellen aus, und Passagiere würden seekrank, oder die Piloten trauten sich nicht mehr zu fliegen. Vorallem im Herbst und Winter müssten Flüge gestrichen werden.

«Das ist operativ eine Gratwanderung. Management kann schnell zum Sicherheitsfaktor werden. Mir ist es lieber, meine Piloten sagen mir, wenn sie sich nicht mehr zutrauen zu starten.» Insgesamt 85 Angestellte hat ECA, 70 von ihnen sind Kroaten. Von den 15 Piloten stammen die meisten aus Skandinavien, soeben haben aber die ersten 5 kroatischen Co-Piloten ihre Ausbildung begonnen. Mit seiner Crew hat Klaus Dieter Martin hohe Ziele. Bis in vier Jahren will er 20 Flugzeuge im Einsatz haben und nach Italien sowie nach Montenegrofliegen. Auch die griechischen Inseln wären eine Wunschdestination. Dann würde man vom Cockpit aus erneut auf tiefblaues Meer und weisse Häuser blicken.

Weitere Informationen finden sich unter http://www.ec-air.eu

Seaplane – Wasserflugzeug – Hydravion